Auftritt mit Tüllkleid und silberner Krone
VON HARALD BISKUP, 13.05.07, 20:05h, AKTUALISIERT 13.05.07, 20:06h
Repräsentantinnen der Schützenvereine feierten in dem Eifel-Städtchen.
Nettersheim - Königin Manuela nimmt erst mal einen kräftigen Schluck Pils, als sie es samt zwölfköpfigem Gefolge zum Ehrenplatz im vorderen Drittel des Festzelts geschafft hat. Seit fünf Uhr in der Frühe ist sie auf den Beinen, Busfahrt aus der Nähe von Iserlohn im Sauerland ins Eifel-Städtchen Nettersheim, dann gut zwei Stunden Festumzug, von Schauern begleitet. Schweißperlen rinnen von der Stirn, das Make-up gerät in Gefahr. Das Gipfeltreffen von gut 200 Schützenköniginnen aus allen Teilen Nordrhein-Westfalens sowie aus Rheinland-Pfalz und Niedersachsen ist für Manuela van Groen (41) keine Premiere. Deswegen stellte sich anders als für so manche Kollegin ohne diese Erfahrung die Kleiderfrage für sie gar nicht erst. „Das ist schon was Repräsentatives, da kann man nicht in irgendeinem Fummel erscheinen.“
In ihrem Tüllkleid in Hellbleu, ein silbernes Krönchen im Haar, hat sie sich, eingehakt bei Schützenkönig Björn Meißner, von ihrem Hofstaat von der „Bruderschaft St. Hubertus Lürbke“ in den Saal geleiten lassen. Alles wirkt beinahe formvollendet; vielleicht hätte sie zeitweise eine Zofe zum Tragen ihrer langen Schleppe verdonnern sollen, denn das letzte Stück über die Festwiese war matschig. Ein paar Tische weiter gönnt sich Königin Lenie, mit einer winzigen Abordnung aus Luxem im Kreis Mayen angereist, ein Gläschen Sekt Hausmarke.
Königin Leni und Königin Manuela verkörpern jene beiden unterschiedlichen Typen von Königinnen, die im Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften (BHDS) für meist eine Saison in die Majestätinnen-Rolle schlüpfen. Manuela van Groen hat sich den Titel sozusagen selbst erschossen, Leni Bohr darf sich Königin nennen, weil ihr Mann Walter in 36 Schützenjahren zum ersten Mal den Vogel abgeschossen hat. Die weitaus meisten der 200 Königinnen, die gestern Nettersheim ihre Aufwartung gemacht haben, gehören zur zweiten Kategorie, aber Bundespräses Heiner Koch, hauptamtlich Weihbischof in Köln, ist guten Mutes, dass immer mehr Frauen selbst auf den Königsvogel anlegen. „Ich warte nur auf den Tag, dass wir eine Bundeskönigin haben.“
Noch immer gibt es Traditionisten, die Frauen am liebsten ganz vom Kleinkalibergewehr fernhalten wollen. Und angeblich verzichten manche Schützenfrauen freiwillig aufs Schießen - in Mettmann zum Beispiel, wie Andreas Tillmann, Kompaniechef der dortigen „Jägerkompanie“ ohne erkennbares Bedauern erzählt. Zwischen Königinnen, die den Titel als Ehefrauen oder Partnerinnen „geerbt“ haben und den „echten“ würden keinerlei Unterschiede gemacht. Und für beide gilt vermutlich, was die Düsseldorfer Landtagspräsidentin Regina van Dinther als Schirmherrin in ihrem Grußwort nach der Festmesse sagt: Dass es die Frauen seien, die im Hintergrund „die wichtige Detailarbeit“ erledigten, ohne die kein Fest erfolgreich verlaufen könnte.
Auf eine andere CDU-Politikerin, die freilich nur durch ein gedrucktes Grußwort präsent ist, sind nicht alle Grünröcke gut zu sprechen. „Am Muttertag wird der Bundesköniginnentag zum Tag der Anerkennung für die Königinnen der Familie - die Mütter“, hat Familienministerin Ursula von der Leyen in der Festschrift geschrieben. „Die Bundes-Ober-Mutti will die Frauen zum Arbeiten zwingen“, kommentiert am Zelttresen ein stämmiger Mann mit Federbusch am Hut. „Wir sind doch nicht in der DDR.“
Draußen ernten die Fahnenschwenker vom Landsknechts-Fanfarenzug Bochum in ihren blaugelben Pumphosen und ebensolchen Baretts Applaus für ihre Darbietungen, an Tisch 47 ist unterdessen Walter Bohr eingetroffen, und prostet seiner Frau zu. An seinem grünem Wams prangen Orden und Abzeichen in reicher Auswahl, und die Königskette hat er zu diesem feierlichen Anlass selbstverständlich auch angelegt. Ansonsten liebt es König Walter eher bescheiden. Von einem Hofstaat will er nichts wissen. „Damit fangen wir gar nicht erst an. Das kostet ein Schweinegeld.“
Wie ein Lindwurm schlängelt sich der Zug mit mehr als 40 Fanfarenzügen und Musikkorps durch den Ort, der sich stolz „Natur-Erlebnisdorf“ nennt und seit seiner Bewerbung für das große Ereignis gemerkt hat, was für eine weise Entscheidung es war, Gastgeber des sonst in wesentlich größeren Kommunen stattfindenden Königinnentages zu sein. Anfangs habe man, erzählt Ronald Morschheuser, dessen Agentur die Gemeinde beraten hat, „Muffensausen gehabt, ob man so eine Nummer mit DJ Ötzi und der Big Band der Bundeswehr stemmen kann“. Aber dann besann man sich auf die Verwurzelung der Schützen in der ganzen Region, und Sponsoren hätten „gut mitgezogen“.
Vieles ist in Eigenregie vorbereitet worden. Hubert Koch, erster Kassierer der örtlichen St.-Martinus-Bruderschaft, der einen Catering-Betrieb führt, wirkt am späten Abend überhaupt nicht unglücklich, als die letzten Riesenkrakauer bei seinem „Eifel-Schmaus“ über die Theke gehen.
Quelle:
http://www.ksta.de/html/artikel/1176113415692.shtml